Forschungswerkstatt Kritische Geographie 2018 – Session-CfPs

Logo_FoWe18_weiß-01

Im Herbst 2008 fand die erste Forschungswerkstatt Kritische Geographie statt – sie hatte den Anspruch, Raum für eine explizit kritische Debatte geographischer Inhalte zu schaffen. So wie dieser Anspruch in den letzten 10 Jahren an vielen verschiedenen Orten eingeholt wurde, so freuen wir uns ganz besonders, im Juni 2018 in Frankfurt a.M. diese Reihe mit der Jubiläumsforschungswerkstatt zu feiern und fortzuschreiben.

CfPs der eingereichten Sessions

Vorweg

Die nachfolgenden Abstracts sind teils explizite Aufrufe nach Beitragseinreichungen, umreißen teils aber auch schon recht abgeschlossene Workshop-Konzeptionen. In jedem Falle freuen sich die Organisator_innen über weitere Ideen & Beitragsangebote für ihre jeweilige Session und entscheiden nach eigenem Gusto, ob und ggf. wie diese mit aufgenommen werden können. Vernetzt Euch!

Schwerpunkt Kritische Geographie braucht (queer-)Feminismus!

WS Fem-1: Geographien der Sexualitäten – von queer citizenship zu sexuellem Rassismus (Jan Hutta & Jenny Künkel)

Seit in den 1970er und 80er Jahren Sexualität in der US-amerikanischen Geographie v.a. im Zusammenhang mit Sexarbeit und den großstädtischen ‚Ghettos‘ von Lesben und Schwulen thematisiert wurde, hat sich das Feld der ‚Geographien der Sexualitäten‘ stark ausdifferenziert. Fanden einerseits Diskussionen zur sozialen Konstruktion von Sexualität und Geschlecht Eingang in die zunehmend international geführte Debatte, so erweiterte sich andererseits auch das Themenspektrum, etwa auf Fragen von Citizenship, Migration oder Tourismus sowie Intersektionalität, Rassismus und Homonationalismus. Dabei wurde teils die anfangs stark weiß-angloamerikanisch-metropolitan geprägte Perspektive hinterfragt und dezentriert.
In diesem Workshop möchten wir das im deutschsprachigen Raum bislang wenig präsente Feld der Geographien der Sexualitäten vorstellen und diskutieren. Dabei wollen wir verdeutlichen, dass Fragen der Sexualität keineswegs – wie oft angenommen – ‚Nischen‘- oder Minderheiten-Themen sind, sondern die Produktion verräumlichter sozialer Verhältnisse in vielfältiger Weise prägen. Im Anschluss an einen Überblicksinput laden wir ein zur gemeinsamen Diskussion der Rolle von Sexualität in gegenwärtigen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, etwa im Zusammenhang mit der Neuen Rechten und der ‚Flüchtlingsdebatte‘. Dabei möchten wir auch Konstruktionen von Sexualität in feministischen Gegendiskursen wie #ausnahmslos, #aufschrei oder #metoo problematisieren.
Workshop mit Kurzinputs
Kontakt: jan.hutta _ät_ uni-bayreuth.de; Jenny.lena.kuenkel _ät_ geo.hu-berlin.de

[Einklappen]
WS Fem-2: Reflexion und Reflexivität kollektiver Schreibprozesse

Das kollektive Verfassen von Texten ist ein wichtiges Ausdrucksmittel der kritischen Geographie und ähnlicher Zusammenhänge. Erfahrungen zeigen, dass es dabei zur Reproduktion gesellschaftlicher Macht- und Benachteiligungsstrukturen kommt – selbst dann, wenn alle Beteiligten entsprechende Mechanismen kennen, zu überwinden suchen oder sogar im Text behandeln. Sie können in sämtlichen Arbeitsphasen – von der Arbeitsteilung über den Umgang mit Beiträgen bis hin zur Kommunikation über Text und Schreibprozess – wirksam werden. Auch wenn die Beteiligten auf unterschiedliche Weise betroffen sein können, eint sie oft der Wunsch, das zu verhindern.

Während der Umgang mit Macht- und Benachteiligungsstrukturen im Kontext von Diskussionsveranstaltungen bereits intensiv diskutiert wird und Methoden wie beispielsweise Moderationen mit dem Ziel eingesetzt werden, Ungleichheiten zwischen den Beteiligten auszugleichen, sind solche Maßnahmen im Rahmen von Schreibprozessen kaum präsent. Hier wollen wir ansetzen und gemeinsam überlegen, welche Probleme zu berücksichtigen sind und wie darauf reagiert werden kann: Wie kann eine Sensibilisierung für Benachteiligungsmechanismen aussehen, wie ein angemessener Umgang, wenn sie trotzdem auftreten? Wie kann eine bewusste Arbeitsteilung gestaltet werden, die mit klassischen Rollenbildern bricht? Und wie lassen sich Vereinbarungen angesichts von Zeit- und Handlungsdruck realisieren?

Wir freuen uns über einen Austausch über eine bewusste Gestaltung kritisch-geographischer Schreibprozesse, bestehende Ansätze und neue Ideen.

[Einklappen]
WS Fem-3: Körper und Emotionen in der Forschung?! - (Kollaborativ-)Autoethnografische Ansätze in der Wissensproduktion (Lea Carstens & Linda Pasch)

Im Workshop soll der Frage nach gegangen werden, wie Körper und Emotionen in der Forschung ernst genommen und zum Ausgangspunkt der eigenen Wissensproduktion gemachen werden können. Dabei laden wir zu einem Wissensaustausch ein und teilen unsere Erfahrungen aus einem kollaborativ-autoethnografischen Forschungsprojekt. Autoethnografische Forschung steht dabei in einer feministischen Tradition, die die Women Writing Culture-Debatte, die Infragestellung des Objektivitätsparadigmas und die Forderung nach situiertem Wissen zum Ausgangspunkt nimmt. Im Workshop geht es darum die eigene Forschungshaltung kritisch zu befragen und darüber in den Austausch zu kommen. Nach einem kurzen Input gibt es viel Raum in Kleingruppen biografisch zu reflektieren und in den Austausch über Erfahrungen mit verschiedenen Forschungsmethoden zu kommen. Der Workshop ist auch offen für Menschen, die noch keine eigene Forschungserfahrung gemacht haben.
Kontakt: l.pasch _ät_ stud.uni-frankfurt.de

[Einklappen]

Schwerpunkt Bildet Kritische Geographien!

WS Bild-1: Kritische Geographie für Alle?! Praktische Beispiele und Erfahrungen mit kritischer Lehre (Thomas Bürk, Matthias Naumann, Tino Petzold)

Der Anspruch einer Kritischen Geographie, in gesellschaftliche Verhältnisse zu intervenieren, findet nicht nur in der Forschung, sondern gerade auch in Bildung und Lehre statt – sowohl innerhalb als auch außerhalb der Hochschule. Das Thema „Kritische Lehre“ – dessen Bestimmung, zentrale Inhalte, adäquate Methoden und die dafür notwendigen Strukturen – wurden bereits auf vergangenen Forschungswerkstätten und auf dem „Kongress für Kritische Geographie“ in Tübingen diskutiert. Im Zentrum der bisherigen Diskussion standen vor allem eine Bestandsaufnahme und die Identifikation von zentralen Aspekten einer Kritischen Lehre. Dabei wurden zahlreiche Widersprüche und Schwierigkeiten für kritische Ansätze in der Lehre an neoliberalen Hochschulen ermittelt.
Dennoch wird „Kritische Lehre“ an vielen Orten und in unterschiedlichen Kontexten bereits praktiziert. Beispiele hierfür sind selbstorganisierte Lesekreise, Tutorien und Seminare, aktivistische Lehrveranstaltungen, aber auch Ansätze kritischer (politischer) Bildung in standardisierten Lehrformaten. Für einen Überblick zu diesen Projekten und einen Erfahrungsaustausch zwischen verschiedenen Formaten Kritischer Lehre möchte der Workshop einen Rahmen bieten. Wir freuen uns daher über Beiträge, die von Erfahrungen in und mit Kritischer Lehre – als Lehrende wie auch als Studierende – berichten. Vorschläge aus anderen Disziplinen, aus internationalen Kontexten und aus Einrichtungen außerhalb der Wissenschaft begrüßen wir als wertvolle Erweiterungen der bisherigen Diskussion.
Bitte sendet eine kurze Beschreibung Eurer Beiträge bis zum 20.04.2018 an Thomas Bürk (tombuerk _ät_ posteo.de), Matthias Naumann (matthias.naumann _ät_ tu-dresden.de) und Tino Petzold (petzold _ät_ em.uni-frankfurt.de).

[Einklappen]
WS Bild-2: Darin, damit, dagegen. Kollektive Strategien an der neoliberalen Hochschule

Dass eine neoliberale Umstrukturierung unserer Hochschulen stattfindet, ist vielen von uns bewusst. Kritik hieran ist absolut notwendig. Gleichzeitig – und das ist das Entscheidende! – möchten wir diesen Prozess nicht als totalisierende Kraft, sondern als ein poröses System begreifen, das wir in Frage stellen, herausfordern und unterlaufen. In diesem Workshop möchten wir eine hoffnungsvolle Perspektive einnehmen und fragen, mit welchen Strategien und Allianzen zwischen verschiedenen Gruppen inner- und außeruniversitär wir der neoliberalen Hochchule entgegen treten können.
Dieser Workshop stellt damit auch den Versuch dar, verschiedene Stränge kritischer Arbeit mit/an der Universität zusammen zu denken. Erstens findet seit einigen Jahren studentische Selbstorganisation in der Lehre an einer Vielzahl von Unis statt. Diese Bewegung stellt spannende Fragen zum Verhältnis von Studierenden, Lehrenden und Universität und führt gleichzeitig wichtige Debatten zu Widersprüchlichkeit und Selbstausbeutung in autonomen Lehrveranstaltungen. Zweitens stehen die Studienbedingungen der „Lernenden“ in direktem Zusammenhang mit den Beschäftigungsverhältnissen der „Lehrenden“. Diese Einsicht wollen wir nutzen, um Kämpfe um bessere Studien- und Arbeitsbedingungen miteinander zu verknüpfen und Allianzen zwischen Studierenden und Dozierenden zu schmieden. Drittens und apropos Allianzen, die Uni ist nicht der Nabel der Welt. Sie ist vielmehr einer von vielen Orten, an denen die Krisen der sozialen Reproduktion sichtbar werden. Von hier aus können sich akademische mit anderen Kämpfen solidarisieren. Wir denken dabei insbesondere an neoliberale Steigerungslogiken, die neben den Universitäten auch andere Bereiche wie z.B. den Caresektor erfasst haben.
Also: Lasst uns gemeinsam darüber sprechen, wie wir die Uni schon jetzt zu einem solidarischen und hoffnungsvollen Ort machen – und in Zukunft machen können. Wir freuen uns auf einen Austausch mit Studierenden, akademisch Beschäftigten, universitären Initiativen und allen Interessierten.
Format:

  • Vorstellung der einzelnen Initiativen/Projekte (jeweils 3-5 Minuten)
  • Welche weiteren Initiativen sind noch anwesend und möchten ihr Projekt vorstellen? (jeweils 3-5 Minuten)
  • Ausarbeitung kollektiver und solidarischer Strukturen in einem World Café) (ca. 1,5h)
  • Vorstellung der Ergebnisse des World Cafés/ Abschlussplenum (30-40 Minuten)

Kontakt: muerlebach _ät_ uni-bonn.de

[Einklappen]

Schwerpunkt Neonationalismus und die Neue Rechte

WS NR-1: Ostdeutschland - Facetten einer „Geographie der Abstiegsgesellschaft“ (Dominik Intelmann & Sophie Perthus)

Ostdeutschland ist mit dem Beginn des Demonstrationszyklus der PEGIDA-“Bewegung“ (2014), den tätlichen Angriffen und aggressiven Demonstrationen gegen Unterkünfte von Geflüchteten (2015 – 2016) und erneut im Zuge des Ergebnisses der AFD bei den Bundestagswahlen 2017 in den Fokus medialen Interesses gerückt. Statt diese Konflikte auf eine spezifische ostdeutsche politische Kultur oder die DDR-Vergangenheit zu reduzieren, sehen wir eine kritische, materialistisch verfahrende Analyse der ostdeutschen Teilgesellschaft als das Gebot der Stunde. Geographische Forschung, die einen Beitrag zum Verständnis der Abstiegsgesellschaft und zum Aufstieg der Neuen Rechten in Ostdeutschland leisten will, muss insbesondere die politischen und wirtschaftlichen Transformationsprozesse in der Zeit der deutschen Wiedervereinigung und ihren Ausdruck in räumlich ungleichen Entwicklungen in den Blick nehmen.

Diesem Thema soll sich im Rahmen von zwei Sessions (je 90min) gewidmet werden. Der erste Teil beschäftigt sich mit den politischen Entscheidungen im Vereinigungsprozess und deren Folgen für einen spezifisch ostdeutschen Kapitalismus, um darauf aufbauend in einem zweiten Teil empirische Untersuchungen von lokalen gesellschaftlichen Entwicklungen vorzustellen.

(A) Politische Ökonomie Ostdeutschlands und die Rolle der Wiedervereinigungspolitik
Im Beitrag von Dominik Intelmann werden zunächst die politischen Richtungsentscheidungen der Wendezeit – Treuhandprivatisierungen, schnelle Währungsunion, Altschuldenregelung und Restitution – und deren polit-ökonomische Konsequenzen – Transferabhängigkeit und das Fehlen einer lokalen Bourgeoisie – betrachtet. Anschließend daran wird diskutiert, inwieweit diese Analyse ein Verständnis der gegenwärtigen Zustimmung zu völkischen/autoritären Positionen unterstützen kann. Für die Diskussion sollen noch weitere Expert*innen eingeladen werden, die mit ihrer wissenschaftlichen Arbeit oder persönlichen Erfahrung zur Diskussion beitragen können.

(B) Empirische Untersuchungen lokaler Gesellschaften in Ostdeutschland
Im Folgenden werden in drei Beiträgen empirische Untersuchungen der lokalen Situationen vorgestellt. In den Beiträgen sollen empirische Ergebnisse zu Aspekten der folgenden Fragen dargestellt werden: Wie manifestieren sich die Eigentums-, Wohn- und Arbeitsverhältnisse konkret an einem bestimmten Ort? Welchen Reim machen sich Bewohner*innen lokalspezifisch auf ihre gesellschaftliche Situation? Und auf welcher Grundlage kann sich dadurch eine rassistische, autoritäre Hegemonie etablieren?

Über Beitragsvorschläge freuen wir uns, insbesondere für den zweiten Teil – bei Interesse bitten wir um kurze Kontaktaufnahme an s_perthus _ät_ posteo.de und dominik.intelmann _ät_ disroot.org.

Literatur:
Belina, Bernd (2017): Zur Geographie der Abstiegsgesellschaft. Der Aufstieg der Rechten – Anmerkungen zu Oliver Nachtwey und Didier Eribon. In: PROKLA 47/1, 97-104.

[Einklappen]
WS NR-2: Antifaschismus im Klassenzimmer - Zum Einsatz subversiver Praxen zur Widerständigkeit gegen die ‚Neue Rechte‘ im Rahmen von Geographieunterricht (Jana Pokraka, Michael Lehner, Thomas Jekel)

In diesem Workshop sollen aktuelle Ansätze der Geographiedidaktik im Umgang mit der ‚Neuen Rechten‘ erarbeitet und durch eine offene Selbstreflexion und Diskussion angereichert werden. Impulse für diese Suche ergeben sich hierbei auf der einen Seite aus geographiedidaktischen Ansätzen wie dem critical spatial learning (Mitchell & Elwood 2012; Lehner et al. 2017; Gryl et al. 2017) aber auch aus angrenzenden Disziplinen wie den queer theories, insbesondere hier Butlers (1990) Strategie einer „subversiven Praxis“. Ziel des Workshops ist es, zunächst geographiedidaktisch relevante Diskurse und Agitationsräume der ‚Neuen Rechten‘ zu identifizieren um anschließend Möglichkeiten der Dekonstruktion ihrer Argumentationen im Rahmen von Geographieunterricht zu eröffnen und bspw. hinsichtlich immanenter Fallstricke von Schule und Bildung wie der Präsenz von institutionellem Rassismus oder Paternalismus kritisch zu reflektieren und diskutieren.
Kontakt: jana.pokraka _ät_ uni-due.de

Butler, J. (1990). Gender Trouble: Feminism and the Subversion of Identity. New York: Routledge.
Gryl, I., Könen, D. & Pokraka, J. (2017). Limits of Freedom. Defining a Normative Background for Spatial Citizenship. GI_Forum 2, 3-12.
Lehner, M., Jekel, T. & Vogler, R. (2017). Flying Kites, Nazi ideology and Collaborative Mapping: Coping with rightwing-extremism in secondary education. GI_Forum 2, 23-35.
Mitchell, K. & Elwood, S. (2012). Engaging Students through Mapping Local History, Journal of Geography, 111:4, 148-157.

[Einklappen]

Kein Schwerpunkt = Open Call

WS OC-1: Soziale Infrastrukturen und Alltag im Austeritätsregime (Anika Duveneck, Tino Petzold, Dimitra Spanou & Felix Wiegand)

Unser Alltag entwickelt sich um (soziale) Infrastrukturen des täglichen Lebens herum. In der Debatte um soziale Infrastrukturen (AG links-netz 2012: 6) werden sie verstanden als die „in der Regel kostenlose oder gegen geringes Entgelt dargebotene Bereitstellung öffentlicher, für alle gleichermaßen zugänglicher Güter und Dienstleistungen, die die Grundvoraussetzung [für ein vernünftiges gesellschaftliches Leben] sind. Dies betrifft vor allem die Bereiche der Gesundheitsvorsorge, des Verkehrs, des Wohnens, der Bildung und der Kultur.“ In den Diskussionen um urbane Infrastrukturen (bspw. Graham/McFarlane 2015) ebenso wie in feministischen Perspektiven stehen die alltäglichen Erfahrungen im Mittelpunkt. Und schließlich kommen unter dem Label Infrastructures of Resistance / Dissent (Shantz 2009: 3; vgl. Sears 2007) Formen der Politisierung in den Blick, die sich um „community centers, housing and shelter, food shares, collective creches, co-op laundries, transportation, community media, free schools, bookstores, cafes, taverns and clubs“ herum entwickeln.
Diese Infrastrukturen werden unter Bedingungen der Austerität prekär, was gerade in den (auch deutschen) Kommunen sicht- und erfahrbar wird: Leere Kassen, Schwarze Nullen, Schuldenberge und Investitionslücken finden ihren Ausdruck im Abbau, der Unterfinanzierung oder Privatisierung sozialer Infrastrukturen. Parallel geraten im Zuge der Kommerzialisierung öffentlicher Räume, städtischer Aufwertungsprozesse und der Krise der Gewerkschaften auch die Infrastructures of Dissent unter Druck.
Im Workshop wollen wir das Verhältnis zwischen Infrastrukturen, Austerität und Alltag in den Blick nehmen und uns über politische Erfahrungen, Strategien und Perspektiven, theoretische Konzepte und empirische Forschungen austauschen. Geplant sind kurze Inputs als Anlass für Diskussionen. Themenvorschläge sind:

  • Wie stehen Austerität, die damit verbundenen Krisen der sozialen Reproduktion und der politischen Repräsentation bzw. lokalen Demokratie, und Infrastrukturen des Alltags im Verhältnis?
  • Welche Aspekte rücken verschiedene Konzepte von Räumlichkeit in den Blick? __ In welcher Weise sind Infrastrukturen spaced, placed, territorialized, networked und was folgt daraus für ihre Transformation? __ Welche Rolle spielen Materialität und physische Gebundenheit von Infrastrukturen unter Bedingungen der Austerität?
  • Welche Ambivalenzen entstehen mit der Krise der staatlichen Infrastrukturbereitstellung und dem Lückenfüllen durch nicht-staatliche Akteure? __ Welche Potenziale und Probleme bieten selbstorganisierte Infrastrukturen? __ Welche Effekte haben Privatisierungen? __ Wie sind Ehrenamt und Mäzenatentum vor dem Hintergrund staatlicher Sparsamkeit einzuschätzen? __ Welche Vor- und Nachteile hat überhaupt die staatliche Bereitstellung sozialer Infrastrukturen?
  • Welche alternativen Infrastrukturen, Widerstände, Potenziale und Möglichkeiten finden wir unter Bedingungen der Austerität?

Wir freuen uns über Beitragsideen zu den Fragen und darüber hinaus an petzold _ät_ em.uni-frankfurt.de.

[Einklappen]
WS OC-2: Ökonomie als soziales Verhältnis – Was ist der Stand der Debatte zu *praktischen* Alternativen in der Kritischen Geographie? (Ferdinand Stenglein & Joscha Metzger)

Die Frage nach praktischen Alternativen zu herrschaftsförmiger und kapitalistischer Ökonomie ist so alt, wie diese Wirtschaftsformen selbst. Auch die Vielfalt gelebter Alternativen ist beeindruckend: Die Beispiele der Vergangenheit erstrecken sich von utopisch-sozialistischen Siedlungen, über temporär erkämpfte Räume wie der Pariser Kommune, der Münchner Räterepublik und des revolutionären Spanien, bis hin zu freiheitlich-sozialistischen Experimenten im Rahmen des real existierenden Sozialismus sowie gemeinwirtschaftlicher, gewerkschaftlicher und genossenschaftlicher Organisation im fordistischen Kapitalismus. In der Gegenwart spielen im globalen Norden insbesondere autonome Kommunen, selbstorganisierte und verwaltete Betriebe und Wohnprojekte eine Rolle und haben im Rahmen der Commons-Debatten und feministischen Kritiken sozialer Reproduktion wieder verstärkt Aufmerksamkeit erfahren. Im globalen Süden existieren mit den selbstverwalteten Gemeinden in Chiapas und Kurdistan auch sehr umfassend angelegte Ansätze alternativer Vergesellschaftung auf Gemeindeebene. Während sich diese Varianten alternativer Ökonomie auf unterschiedlichen Maßstabsebenen abspielen, stellt sich ihnen allen die Frage, wie sich eine konkrete Praxis jenseits der kapitalistischen Vergesellschaftung organisieren lässt – und wie es damit gelingt, tatsächlich über kapitalistische Verhältnisse hinauszuweisen, diese nachhaltig in Frage zu stellen und weniger gewaltsame und ausbeuterische Formen gesellschaftlicher Organisation zu realisieren. Kann – und wenn ja wie – durch alternative Ökonomien eine Wiederaneignung der Ökonomie als soziales Verhältnis gelingen?
In der deutschsprachigen Kritischen Geographie lässt sich eine umfangreiche Textproduktion zu Funktionsweisen von Herrschaft innerhalb der kapitalistischen Vergesellschaftung feststellen: kapitalistische Stadt und Raumproduktion, Subjektivierungsformen und Regierungstechniken sowie die Kontinuität (post-)kolonialer und patriarchaler Verhältnisse sind in den vergangenen 10 Jahren bestimmende Themen der kritisch-geographischen Forschung gewesen. Hinsichtlich der Thematisierung praktischer ökonomischer Alternativen stellen wir jedoch einen gewissen Mangel fest: Forschungsarbeiten und Debatten zu konkreten alternativen Praktiken sowie den Potenzialen, Problemen und Widersprüchen von existierenden Alternativen sind nach wie vor rar.
Daher möchten wir herzlich zu einem Austausch über genau diese Fragen einladen: Welche Varianten und Formen alternativer und/oder gemeinschaftlicher Ökonomie existieren und werden derzeit beforscht? Wie können solche Projekte und Ansätze beforscht oder auch aktivistisch mit ihnen geforscht werden? Welche theoretischen Zugänge bieten sich dafür an? Was sind die zentralen Herausforderungen dieser Projekte aus Sicht der Beteiligten? Welche Herausforderungen lassen sich aus kapitalismuskritischer Perspektive feststellen bzw. rekonstruieren? Welcher produktive Umgang lässt sich angesichts von offen repressiver sowie subtiler staatlicher Macht, von brutalen Marktmechanismen sowie dem stummen Zwang der Verhältnisse finden und formulieren, um real existierenden Alternativen zukünftig weitere Perspektiven zu öffnen?

Wir freuen uns über die Einsendung von Vorschlägen jeder Art: Fragen, die gemeinsam diskutiert werden können, Kurzvorstellungen laufender (Forschungs-)Projekte, Erfahrungsberichte aus der Praxis sind ebenso willkommen, wie das klassische Format eines wissenschaftlichen Vortrags. Den Ablauf der Session auf der Forschungswerkstatt im Juni 2018 in Frankfurt werden wir den eingereichten Beitragsideen entsprechend gestalten.

Vorschläge bitte an Ferdinand Stenglein (f_sten08 _ät_ uni-muenster.de) oder Joscha Metzger (joscha.metzger _ät_ uni-hamburg.de)

[Einklappen]
WS OC-3: Logistik im Spannungsfeld von Globalisierung und Renationalisierung (Slave Cubela & Julian Stenmanns)

Die Logistikrevolution der vergangenen Jahrzehnte hat die Raumökonomie des Kapitalismus grundlegend verändert. Als Infrastruktur der Externalisierungsgesellschaft ist die Logistik aufs Engste mit Deindustrialisierungspolitiken, der Öffnung neuer Märkte, der Schaffung neuer Produktionsstandorte, der Fragmentierung ehemaliger Unternehmens-Belegschaften und einer wachsenden sozialen Polarisierung verknüpft. Gleichzeitig wird sie zunehmend von Staaten und Unternehmen als kritisches, prekäres Bindeglied globaler Integration adressiert. Diese Abhängigkeit von globalisierten ‚Fließsystemen‘ äußert sich nicht nur in quasi-militärischen Auseinandersetzungen (etwa vor der Küste Somalias). Auch die Diskussionen um die Grenzschließungen in Europa während des sogenannten Sommers der Migration 2015 und danach waren implizit eine Debatte um die umkämpften Terrains der Logistik. Während die neuen Nationalist_innen die Integrität der jeweiligen Territorialstaaten in Gefahr sahen, nach Grenzsicherung riefen und diese auch erreichten, wurde diese erneut greifende Territorialität der Grenzen für Unternehmen der Logistikbranche zur Zerreißprobe.
Sorgt die Logistikbranche also auf der einen Seite für soziale Polarisierungseffekte, dann hat sie gleichzeitig auch dafür gesorgt, dass die Internationalisierung des Kapitals inzwischen soweit fortgeschritten ist, dass Staaten und Unternehmen eine Desintegration des Weltmarktes zu großen Teilen zu verhindern suchen. Zudem ist es nicht von der Hand zu weisen, dass diese Teile des Kapitals an einer anhaltenden Zuwanderung in den globalen Norden interessiert sind, hoffen sie doch so auf genügend Zufuhr billiger Arbeitskräfte, nicht zuletzt für die häufig körperlich schwere und schlecht bezahlte Logistikarbeit am unteren Ende der Lieferketten.
Und schließlich erleben wir in den vergangenen Jahren auch neue Formen des Widerspruchs und Protests entlang von transnationalen Lieferketten. Nicht nur Belegschaften, sondern auch soziale Bewegungen formieren sich an den Knotenpunkten der globalisierten Logistik, um diese zu besetzen oder zu unterbrechen. Kann die Logistikbranche vor diesem Hintergrund also auch eine Chance für eine Renaissance emanzipatorischer Kräfte werden, wie dies etwa Kim Moody schreibt?
Für diesen Workshop freuen wir uns über kurze Inputs und Diskussionsbeiträge, die auf eigenen wissenschaftlichen Projekten zu oder aktivistischen Erfahrungen mit Logistik aufbauen. Sofern Ihr gerne einen Input liefern möchtet, bitten wir Euch, uns eine kurze Mail im Voraus (an cubie _ät_ web.de & stenmanns _ät_ geo.uni-frankfurt.de) zu senden.

[Einklappen]
WS OC-4: Kritische Stadtexkursionen. Workshop und Praxisversuch (Katja Thiele & Nils Grube)

Ob in der Stadt oder in peripherer Umgebung, Exkursionen erheben Anspruch auf einen Zugriff auf unverstellte Wirklichkeit. Die im Kanon jeder GeographInnenausbildung fest verankerte Praxis einer ortsaufsuchende Wissensvermittlung wird jedoch immer noch zu selten kritisch betrachtet oder aufarbeitet. Nach einem ersten Workshop in Leipzig (FoWe KritGeo 2016) möchten wir bei der kommenden Forschungswerkstatt in Frankfurt die kritische Auseinandersetzung mit diesem klassisch-geographischen Handwerk (oder besser Fußwerk) fortsetzen!
Wir und andere MitgliederInnen der Kritischen Geographie Berlin e.V. haben 2013 mit der Durchführung von kritischen Stadtspaziergängen gestartet, die dieses Jahr zum sechsten Mal stattfinden. In der inhaltlichen und didaktischen Auseinandersetzung mit dem Thema standen und stehen u.a. folgende Fragen im Vordergrund, die wir gerne auch im geplanten Workshop aufgreifen möchten:

  • Wie können Theorien oder Themen der kritischen Geographie bei Exkursionen aufgegriffen und raum- bzw. ortsbezogen vermittelt werden?
  • Welche partizipativen Methoden oder alternativen Interaktionformen können die klassische Exkursionsform des direktiven Aufzeigens ergänzen oder ablösen?
  • Braucht es die Exkursion als Format, um die Ziele zu erreichen / Inhalte zu transportieren? Wenn ja, was macht das Format so bedeutend bzw. welche Rolle spielt das »Draußen sein« für die Wissensvermittlung?

Geplant ist ein Workshop, bei dem wir im offenen Austausch mit den TeilnehmerInnen zunächst über Erfahrungen mit (Stadt-)Exkursionen sprechen wollen. Daran anschließend sollen unterschiedliche Formate vorgestellt und diskutiert werden. Als mögliches Ziel oder Ergebnis des Workshops könnte die Ausarbeitung eines Modells zur (kritischen) Exkursionsdidaktik oder eines Leitfadens zur Entwicklung oder Erprobung eigener kritischer Stadtexkursionen sein. Im Anschluss an den Workshop gäbe es die Möglichkeit, einige experimentelle Exkursionsformen (z.B. dévire oder performative Intervention) in einem Praxisversuch im „Feld Frankfurt“ zu erproben.
Kontakt: katja.thiele _ät_ posteo.de & disurbanism _ät_ gmail.com

[Einklappen]